Bericht über die Gerichtsverhandlung beim OVG in Lüneburg

Klage gegen Schutzgebietsverordnung "Waldgebiete auf dem Hümmling" gescheitert

Acht der 45 Kläger mit ihrem Anwalt vor dem OVG in Lüneburg
Acht der 45 Kläger mit ihrem Anwalt vor dem OVG in Lüneburg

Bereits zum zweiten Mal hatte das Oberverwaltungsgericht über einen Konflikt zwischen dem Landkreis Emsland und uns, den betroffenen Wald­bauern, zu entscheiden.

2014 hatte der Landkreis die Verordnung „Waldgebiete auf dem Hümmling“ erlassen, mit der vorwiegend private Wälder auf dem Hümmling unter Landschaftsschutz gestellt wurden. 2017 hatte das OVG unserem damaligen Normenkontrollantrag stattgegeben und die Verordnung aus formalen Gründen für unwirksam erklärt. „Materiell“, also inhaltlich, sei die Verordnung aber weitgehend korrekt gewesen. Daraufhin hatte der Landkreis 2018 eine erneute Schutzgebietsverordnung erlassen, gegen die wir nochmals klagten.

Bei der jetzigen Verhandlung des 4. Senats am 20. Juli 2021 wurden Vorgeschichte, Positionen und Argumente des Konflikts vorgetragen. Dabei konnte man eine deutliche Verärgerung des vorsitzenden Richters Clausen bemerken, denn bereits in dem ersten Verfahren 2017 hatte sich dieser Senat ausführlich mit dem Thema beschäftigt und weitreichende Anmerkungen gemacht, um eine erneute Auseinandersetzung zu verhindern. Offenkundig erfolglos. Der Vorsitzende kam im Laufe der Verhandlung mehrmals darauf zurück, dass sich der Senat damals sehr große Mühe gemacht hatte, die aber anscheinend nicht gewürdigt worden war.

Das Hauptargument von uns Waldbauern lautet, dass es bei der Schutzgebietsverordnung gar nicht um Natur- oder Landschaftsschutz geht, sondern darum, den 2015 ausgewiesenen Naturpark Hümmling zu legitimieren. Die Gründe für die Unterschutzstellung liegen also nicht im naturschutzfachlichen Bereich, sondern auf touristischer, bzw. finanzieller Ebene, um einerseits Fördermittel für den Naturpark einwerben zu können, andererseits Strafzahlungen an die EU zu vermeiden.

Der Vorsitzende mochte diesem Vorwurf nicht folgen. Denn in den Zielen der Verordnung seien unter anderem die Schutzzwecke „Erholung“ und „Förderung des naturverträglichen Tourismus“ formuliert worden. Daher sei eine Ausweisung aus touristischen Gründen legitim. Auch sei nicht der jetzige Zustand der Wälder für die Unterschutzstellung ausschlaggebend, sondern die Absicht, zukünftige Entwicklungen zu steuern, um beispielsweise das Schutzziel der „Erhaltung, Entwicklung und Wiederherstellung der Regenerationsfähigkeit des Naturhaushalts“ zu erreichen.

Wir hielten dagegen, dass die Wälder auch jetzt schon für die Erholung der Allgemeinheit offen stehen, und dass die gewünschte Entwicklung auch ohne Unterschutz­stellung gewährleistet sei, weil die Regenerationsfähigkeit der Wälder im ureigensten Interesse von uns Waldbauern ist. Die Verordnung ist überflüssig.

Woraus der Vorsitzende aber auch nicht erkennen konnte, dass sie schädlich ist. Im Gegenteil: Die Verordnung böte uns Bauern verstärkte Möglichkeiten, um z.B. gegen Mountainbiker oder Paintball-Spieler im Wald vorgehen zu können. Im Übrigen werde die ordnungsgemäße Forstwirtschaft in den betroffenen Gebieten gar nicht eingeschränkt. Dem Argument eines Einzelklägers, sein Hof würde in seiner Entwicklungsmöglichkeiten sehr wohl eingeschränkt, weil durch die Verordnung Teile seiner Hoffläche betroffen sind, konnte der Vorsitzende nicht folgen.

Über die Frage möglicher Einschränkungen der ordnungsgemäßen Forstwirtschaft wurde am Beispiel der Pflanzenschutzanwendungsverordnung verhandelt. Nach Ansicht des Landkreises werde die Anwendung von Spritzmitteln in der Verordnung nicht eingeschränkt, sie betreffe keine Landschaftsschutz-, sondern nur FFH-Gebiete. Ein Blick auf das Geoportal des Landkreis Emsland bestätigte, dass die Flächen zurzeit (!) nicht als FFH-Gebiete ausgewiesen sind.

Ein weiteres Argument von uns lautet, dass die Auswahl willkürlich ist, weil die betroffenen Wälder kleinteilig sind und als "Flickenteppich“ verstreut inmitten einer intensiv genutzten Landschaft liegen. Die Entscheidung, daraus lediglich die Wälder auszuwählen, ist willkürlich.

Bei „natürlicher Betrachtung“, so der Vorsitzender, würden Wälder die Landschaft stärker prägen als Weiden, Äcker oder Siedlungen. Daher sei der Ansatz, als Schutzgegenstand Wälder auszuwählen, legitim. Auch müsse ein Wald nicht zwangsläufig groß, wertvoll oder alt sein, um unter Schutz gestellt werden zu können.

In der Verhandlung ging es aber auch um formale Kritikpunkte. So warfen wir dem Landkreis vor, er habe die Urteile aus dem Jahr 2017 nicht wie gefordert im Amtsblatt des Landkreises veröffentlicht, sowie bei der erneuten öffentlichen Auslegung der neuen Verordnung den Fehler von 2014 wiederholt und veraltetes Kartenmaterial verwendet. Außerdem sei die Auslegung diese Materialien im Rahmen der Bürgerbeteiligung bei Einzelgemeinden einer Samtgemeinde nur in den Samtgemeinden erfolgt.

Die formalen Fehler wurden vom Vorsitzenden als nicht relevant bewertet. Auf das damalige Urteil sei in der Presse ausreichend hingewiesen worden. Die verwendeten Karten seien zwar alt, aber nicht zu sehr veraltet gewesen, sodass Umfang und Absicht des Vorhabens dennoch klar erkennbar gewesen seien. Eine Auslegung der Pläne sei in den Einzelgemeinden einer Samtgemeinde zwar gesetzlich erforderlich, ob sie stattgefunden habe oder nicht, könne aber nicht mehr nachgewiesen werden. Da aber auch Stellungnahmen aus den betroffenen Einzelgemeinden eingegangen seien und weil dieser Aspekt von uns nicht fristgerecht gerügt worden sei, sei das Verfahren „vom Ergebnis her“ korrekt erfolgt. Außerdem seien all diese Aspekte nicht schwerwiegend genug, um die Verordnung abzuwehren.

In seinem Urteil wies der Senat die Klage zurück, die Urteilsbegründung liegt noch nicht vor.

 

Wir halten das Urteil für falsch. Bei den formalen Fehlern halten wir den Standpunkt des Senats, „vom Ergebnis her“ zu urteilen, für bedenklich. Die Tatsache, dass Einwände aus Einzelgemeinden eingegangen sind, bedeutet nicht, dass es nicht noch weitere Einwände gegeben hätte, wenn die Pläne direkt vor Ort und nicht nur in der Samtgemeinde ausgelegen hätten. Das Ergebnis hätte also auch ganz anders aussehen können. Wenn der Gesetzgeber schon formale Bedingungen aufstellt, dann sollten sie auch formal korrekt eingehalten werden und Fehler nicht nachträglich „vom Ergebnis her“ abgewiegelt werden. Auch halten wir die Rechtfertigung für die Nutzung veralteten Kartenmaterials für nicht stichhaltig, wonach lieber veraltete Karten mit Höhenlinien verwendet worden seien, statt aktuelle ohne Topografiedarstellung. Im Gegensatz zur Aktualität sind topografische Höhenlinien für das Beteiligungsverfahren von untergeordneter Relevanz. Da wurde das falsche Kriterium gewählt.

Aber die eigentliche Frage ist nicht, ob die Verordnung formal korrekt zustande gekommen und prinzipiell zulässig, sondern, ob sie notwendig und zweckmäßig ist. Das können wir nicht erkennen.

Ein Landschaftsschutzgebiet dient dem Erhalt des allgemeinen Erscheinungsbilds der Landschaft. Da „Landschaft“ von vielen Elementen geprägt wird, ist die Auswahl von nur einem Element problematisch. Die betroffenen Wälder sind kleinteilig verteilt und machen innerhalb der Fläche des Naturparks rund ein Fünftel (21%) aus. Daher ist die Aussage des vorsitzenden Richters, sie würden die Landschaft so sehr prägen, dass sie allein schützenswert sind, nicht nachzuvollziehen. Gerade für den vom Vorsitzenden herangezogenen unvoreingenommenen Betrachter sind nicht beeindruckende Wälder, sondern die Mischung zwischen Wäldern und offener Landschaft das herausragende Merkmal dieses Gebiets. Der Naturpark selbst wirbt auf seiner Webseite gerade nicht ausschließlich mit den Wäldern, sondern mit der Mixtur der Landschaftselemente: „Sanfte Hügel und tiefe Wälder, weite Moore und Heiden, Fließgewässer mit ihren Auen, kostbares Kulturgut und liebenswerte Dörfer prägen den Geest­rücken.“ Folgerichtig hätte diese Mixtur unter Landschaftsschutz gestellt werden müssen. Die ausschließliche Unterschutzstellung von Wäldern, um die Landschaft zu schützen, ist daher unlogisch.

Der Aspekt der Tourismusförderung kann Ziel, aber nicht Hauptmerkmal einer Landschaftsschutzgebietsausweisung sein. In unseren Augen findet hier eine Überbewertung statt.

In der Verhandlung wurde mehrmals darauf hingewiesen, dass die ordnungsgemäße Forstwirtschaft nicht eingeschränkt werde, also keine Nachteile für uns daraus entstehen. Das bedeutet, dass die Unterschutzstellung keine Auswirkung auf waldbauliche Maßnahmen hat. Wenn die Verordnung die Forstwirtschaft aber gar nicht berührt, warum werden dann ausgerechnet lediglich Wälder unter Schutz gestellt? Und wie sollen die Ziele der Verordnung (z.B.: „Entwicklung von bezüglich der Arten und Altersklassen monostrukturierten Wälder zu multifunktionalen Mischwäldern“) ohne waldbauliche Maßnahmen erreicht werden? Wenn das Ziel der Verordnung darin besteht, Entwicklungen zu steuern, wie soll das funktionieren, wenn keine Steuerungselemente vorhanden sind?

Entweder ist die Verordnung ein zahnloser Tiger und damit tatsächlich überflüssig, oder – wie wir befürchten – ein Fuß in der Tür, um über spätere Management- oder Durchführungspläne in Zukunft doch noch waldbauliche Einschränkungen einzuführen.

Unsere Befürchtung, dass der Landkreis nicht ehrlich argumentiert, ist groß, denn die Verordnung macht in ihrer derzeitigen Fassung eigentlich gar keinen Sinn. Wir hatten den Senat in einem Schreiben vor der Verhandlung extra darauf hingewiesen, dass das Vertrauen zwischen dem Landkreis Emsland und den Waldbauern schwer gestört und wir ziemlich demotiviert sind. Es wäre wünschenswert gewesen, wenn in der Verhandlung darauf auch eingegangen worden wäre.

Doch weder in der Verhandlung, noch in dem Beteiligungsverfahren sind die betroffenen fünf Waldschutzgenossenschaften, die in der Forstbetriebsgemeinschaft Emsland-Nord zusammengeschlossen sind und 9.500 Hektar Wald betreuen (eine Fläche, die größer ist als die Gemarkungen von Börger und Werpeloh zusammen), in die Planung einbezogen worden.

Die Waldschutzgenossenschaften hätten als Träger öffentlicher Belange in dem Beteiligungsverfahren beteiligt werden müssen. Im Gegensatz zur Stadt Haselünne, größter kommunaler Waldbesitzer des Emslandes, der es gelang, ihre Flächen aus der Verordnung herauszuhalten, wurden die Waldschutzgenossenschaften nicht beteiligt. Diese Nicht-Berücksichtigung werten wir als schweren Verfahrensfehler.

 

Wir werden die Urteilsbegründung abwarten und prüfen, ob wir eine Revision des Urteils beantragen.

Ratlosigkeit und Verärgerung bei den Teilnehmern vor dem OVG Lüneburg am 20.7.2021 nach der Verhandlung
Ratlosigkeit und Verärgerung bei den Teilnehmern vor dem OVG Lüneburg am 20.7.2021 nach der Verhandlung

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Kommentare: 3
  • #1

    Bernhard H. (Sonntag, 25 Juli 2021 11:35)

    Das nennt man wohl Machtpolitik. Der Landkreis bestimmt und die Bauern gucken in die Röhre. Früher war das genau umgekehrt. Ist beides nicht schön.
    Wäre es nicht mal Zeit sich an einen Tisch zusammenzusetzen und das Problem friedlich zu lösen statt immer die Gerichte zu beanspruchen?

  • #2

    I.G. (Sonntag, 29 August 2021)

    Da wurde das leichteste Opfer für die Landkreispläne gesucht und wieder einmal hat es uns Bauern erwischt. Ich kenne keinen Landwirt, der bei den Wahlen im September noch genau so wählen wird wie er es bislang gemacht hat. Sowas kommt von sowas.

  • #3

    Andy (Montag, 19 Dezember 2022 02:55)

    Ich glaube es hat jahrelange Gespräche gegeben, mit Beteiligung der Lwk, dem Landkreis und eurem Verband.
    Ich habe sowas auch erlebt und nach ca. 8 Jahren aufgegeben.
    Es ist kein ehrlicher Interessensausgleich, sondern wie richtig beschrieben ein Fuß in der Tür, um irgendwann neue Anforderungen zu stellen. Und dann kommen die gleichen Organisationen und sagen, sie hätten doch klagen können.
    Antwort: Haben wir doch!
    Ohh