Januar 2022
Unser Wald verfällt.
Als Waldbesitzer und Mensch tut es mir weh, dies tagtäglich mit ansehen zu müssen.
Als Ingenieur und Vorsitzender der Waldschutzgenossenschaft Hümmling-Süd bin ich näher an der Materie als die meisten Politikerinnen und Politiker. Und auch oft näher als die Vertreter der Umweltverbände.
Als Vater zweier Töchter fühle ich Verantwortung für die Zukunft unserer Kinder. Was gerade mit dem deutschen Wald geschieht, was aber in der Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen wird, ist eine Katastrophe für uns alle und für nachfolgende Generationen.
Die vielen öffentlich verfügbaren Informationen in den Medien, in sogenannten Fachkreisen und auch in Fernsehbeiträgen, geben das meiner Meinung nach nicht klar wieder. Das ist auch die Meinung meiner Kollegen, der Waldbauern und Forstarbeiter. Leider können sich diese selten Gehör verschaffen, was wirklich tragisch ist. Denn wir Waldarbeiter verfügen über das über Generationen zusammengetragene Wissen und den Erfahrungsschatz, um den wahren Zustand des Waldes zu beurteilen und was er jetzt braucht.
Ich gebe nun auch im Namen meiner Kollegen einen kurzen Überblick über die aktuelle Situation des deutschen Waldes. Darauf folgt ein sehr einfach umzusetzender Vorschlag für den Weg aus der Krise. Einfach, wenn diese Umsetzung nicht von bestimmten wirtschaftlichen Interessen blockiert wird.
Zur Erklärung stelle ich als Erstes eine für viele wohl überraschende Behauptung auf:
Nicht das Errichten von naturnahem Wald oder gar Naturwald stellt die Lösung für das Klima, die Natur und Umwelt dar.
Im Gegenteil: Gerade die intensive Kultivierung des Nutzwaldes ist aus vielerlei Gründen wichtig. Und sollte anerkannt und gefördert werden!
Zuerst sollten wir den Naturwald von dem Nutzwald unterscheiden.
Der Naturwald ist ein Wald, der sich selbst überlassen wird und in dem keine Forstarbeit stattfindet. Naturwald gibt es in Deutschland so gut wie gar nicht. Er soll nun auf das Drängen von Umweltschutzverbänden aus ehemaligen Nutzwäldern entstehen, was gar nicht so einfach ist. Der Prozess, den ein Kulturwald braucht, um sich in einen „Urwald von morgen“ zu verwandeln, braucht wahrscheinlich um die 500 Jahre. Ich bin mir nicht sicher, ob diese Tatsache umweltbewegten Aktivisten und Experten bewusst ist.
Der Nutzwald ist im Gegensatz zum Naturwald der wahre Klimaschützer!
Denn wir Menschen sind Verbraucher. Der Stoff Holz wächst von alleine und kann ohne großen Energieaufwand hergestellt und transportiert werden.
Die Forstarbeiter sorgen dafür, dass gut verwertbares Holz im Wald wächst. Das bedeutet vor allem in den ersten 20 Jahren nach der Pflanzung sehr viel Arbeit. Arbeit, die bei den geringen Holzerlösen leider nur noch ungenügend durchgeführt wird. Was schade für das Klima ist. Denn: Im Nutzwald wächst die doppelte Menge an Holz als im Naturwald!
Warum? Durch die gewollte Enge der Bäume wird dem Baum suggeriert, dass er nur Überlebens-Chancen hat, wenn er in die Höhe wächst. Dies wird am besten mit Monokultur erreicht. Hat der Baum die durch die Bodengüte beeinflusste Höhe erreicht, werden verstärkt Durchforstungen durchgeführt. Dann setzen die Forstarbeiter mehr auf das Dickenwachstum. Es gibt durch die Kultivierung der Forstarbeiter neben dem wachsenden Holz- und Qualitätsertrag einen wichtigen Nebeneffekt:
Bei dieser Vorgehensweise fällt vermehrt Licht in die Zwischenräume und auf den Boden.
àEine grüne Bodenvegetation entsteht. Es ergibt eine vielfältige Vegetation und eine doppelt so große CO2-Speicherung.
àAuch wird doppelt so viel Sauerstoff in einem Nutzwald im Gegensatz zu einem Naturwald produziert, durch die doppelte Menge an lebendiger Pflanzenmasse, s.o.
àHier lebt eine breite Artenvielfalt.
àDiese wird noch weit mehr als verdoppelt, wenn die Wälder klein parzelliert unterschiedlich bewirtschaftet werden. In Fichtenwäldern leben andere Insekten als zum Beispiel in Buchenwäldern. Gute Blaubeeren findet man nur in alten Kiefernwäldern.
à Spaziergänger fühlen sich hier wohl und nicht im niedrigen dunklen Naturwald.
Viele weitere Beispiele könnten hier angeführt werden, aber es ist wohl jetzt schon ausreichend dargelegt, dass eine breite Artenvielfalt in Nutzwäldern und nicht in Naturwäldern zu finden ist. Es ist der Nutzwald, der unsere Arten schützt! Denn diese haben sich seit Langem an unsere alte, sehr heterogene Forstwirtschaft angepasst.
Die Arbeit der Förster und Waldbauern massiv zu unterstützen bedeutet, in Arten- und Naturschutz zu investieren!
Um den Naturschutz zu steigern, sollten vermehrt Laubwälder wie z.B. Buchenwälder entstehen. Laubholz ist als Nutzholz aus wirtschaftlichen Gründen leider nur in geringem Umfang gefragt. Dagegen ist vor allem das Nadelholz als Baustoff begehrt. Andere Baumaterialien wie Eisen, Beton, Mauersteine und Kunststoff sind allerdings echte Klimakiller. Sie verbrauchen schon bei der Herstellung sehr viel Energie. Also ist auch der oft kritisierte Anbau von Nadelholz in Hinblick auf seine Klimabilanz her voller Vorteile.
Leider kommt viel Holz billig aus anderen Ländern nach Deutschland. Deswegen ist die deutsche Forstwirtschaft seit 50 Jahren defizitär, lohnt sich also nicht. Zusätzlich werden den Forstleuten heute immer mehr, teils absurd widersinnige, Vorschriften gemacht.
Als Waldbesitzer hat man den Eindruck, dass hier ein Wettbewerb unter den vielen verschiedenen staatlichen Stellen läuft. Und zwar: Wer schafft die meisten Verbote?
Was bewirken die Verbote bei den Waldbesitzern, die aus Hobby, Idealismus oder Verantwortungsbewusstsein noch Forstarbeiten durchführen? Sind es nicht realitätsfremde Maßregelungen, die nur zu einer weiteren Demotivation und zum Aufgeben führen?
Die Politik und auch ein Großteil der Umweltschützer merken nicht, dass ihre Regelwut zu immer weniger Forstarbeit führt. Diese Kreise merken nicht, dass dies und die massive Forderung für mehr Totholz maßgeblich verantwortlich für die Borkenkäferplage und das Absterben der Fichten ist. Leider übernehmen diese Entscheidungsträger bisher keine Haftung.
Der deutsche Wald wird immer älter und verfällt.
Somit verlieren wir hierzulande die Arten, die sich mit der alten Forstwirtschaft entwickelt haben.
Wenn die Bäume nicht aus Deutschland, sondern aus anderen Ländern kommen, verliert die Erde durch den exzessiven Abbau und Export die dortigen Naturarten, z.B. in Rumänien und in den Regenwäldern. Hier geschieht also eine doppelte Naturzerstörung.
Fazit: Der funktionierende Nutzwald schützt die Natur und ist Deutschlands effektivster
Klimaschützer.
Für den Naturschutz im Wald werden hohe Summen in Form von Steuer- und Spendengeldern eingesetzt. Doch durch die dadurch finanzierten Maßnahmen wurde im gesamten deutschen Wald bisher so gut wie nichts dafür erreicht.
Außerdem wird den nächsten Generationen brauchbares Holz fehlen, was jetzt noch im Überfluss vorhanden ist.
Daher schlagen wir Forstarbeiter und Waldbauern einen sinnvollen Weg vor:
Wir retten den deutschen Wald nur, wenn beim Holzverkauf angemessene Preise erzielt werden, mit denen die Forstarbeit bezahlt werden kann. Natur- und Klimaschutz sind dann extrem wichtige Nebeneffekte, die so keine zusätzlichen Kosten verursachen.
Ausschließlich dieser Weg funktioniert. Er ist sehr einfach, denn man braucht sich nur an die alte nachhaltige Forstwirtschaft erinnern.
Leider widerstrebt dieser Weg etablierten wirtschaftlichen Interessen, welche nur auf Gewinnmaximierung setzen, vor allem in der Exportwirtschaft. Ihre Exporte müssen mit Importen von günstigen Massengütern, unter anderem Holz, bezahlt werden. Zusätzlich betreiben Lobbyisten der in diesem Zusammenhang stehenden Wirtschaftszweige im großen Stil Greenwashing und verfügen über eine enorme politische Macht.
Daher ist der Wille zur Rettung des deutschen Waldes bei den politisch Verantwortlichen nicht wirklich vorhanden, auch wenn bei uns Bürgern ein anderer Eindruck erweckt wird.
Über die Qualitätsanforderungen, die in Deutschland eingehalten werden müssen, in anderen Ländern dagegen nicht oder weniger gelten, kann Einfluss auf den Markt gewonnen werden. Die dafür zuständigen Behörden müssen nicht erfunden werden, sondern sind schon vorhanden. Mit europäischen Ländern können Vereinbarungen zum Schutz ihrer und unserer Wälder getroffen werden. So können die billigen Holzimporte begrenzt werden. Die Holzpreise für den Verbraucher müssen gar nicht wesentlich steigen, da die meisten Kosten in der Verarbeitung liegen.
Die Maßnahmen zum Natur- und Artenschutz sind zurzeit wenig erfolgreich.
Der effektivste Klimaschutz, der von Deutschland aus möglich ist, wird immer mehr geschwächt.
So muss man sich nicht wundern, wenn Deutschlands Klimaschutzziele in Wirklichkeit nicht erreicht werden. Gerne werde ich in anderen Beiträgen weiter in die Tiefe gehen.
Was würden die Bäume selbst sagen, wenn sie sprechen könnten? Vielleicht würden sie nichts sagen, sondern schreien: „Es wird Zeit, dass ihr kapiert, dass ohne uns die Welt krepiert!“
Gelesen auf einem Banner auf einer Fridays-for-Future-Demonstration, und unseren guten Riesen in den Ast gelegt.
Dipl. Ing. Andreas Perkmeyer